Kristallnacht in Venezuela


Der venezolanische Oppositionskandidat Henrique Capriles hat nach der Verkündigung seiner Niederlage eine Welle von Angriffen losgetreten. Jeder weiche Staatsstreich beginnt mit einer Gewaltwelle. Es ist jedoch nicht sicher, ob er sein Ziel erreichen wird.

Seine Absichten hatte er bereits angekündigt. Am 9. April, fünf Tage vor den Präsidentschaftswahlen erklärte Henrique Capriles Radonski: „Es wird nicht so sein wie am 7. Oktober, ich werde die Stimmen verteidigen.“ Am darauffolgenden Tag erbrachte der Präsident der venezolanischen Nationalversammlung, Diosdado Cabello, im staatlichen Fernsehen den Beweis dafür, dass die venezolanische Rechte die Absicht hatte, die Wahlergebnisse anzuzweifeln, mit dem Ziel, in Venezuela einen Staatsstreich anzuzetteln. In der Wahlnacht weigerte sich der rechtsgerichtete Kandidat, seine Niederlage zu akzeptieren, trotz der Stimmenmehrheit von 272.865 für den sozialistischen Kandidaten Nicolás Maduro. Alle internationalen Beobachter bestanden darauf, dass die Wahl transparent war. Vicente Diaz, einer der Rektoren des Nationalen Wahlrats (CNE), öffentlich verbündet mit den Oppositionsparteien, bekräftigte, dass er „das Wahlergebnis nicht anzweifelte“ und dem Nachfolger von Hugo Chávez den Sieg zugestand.

Radonski vergaß seine Rhetorik über Einheit, Frieden und Sicherheit, die der er in der Woche zuvor noch ausposaunt hatte. Er rief zu einer Mobilisierung seiner Unterstützer auf, um eine Überprüfung aller Stimmen zu erreichen. Seine rechtsextremen Unterstützer auf die Straße zu schicken, um sie in Brand zu stecken, ist ein seltsamer demokratischer Weg, auf dem eine Überprüfung erreicht werden soll. Das venezolanische Wahlrecht ist sehr klar. Es verpflichtet die Kandidaten dazu, dem CNE Beweise für einen Betrug zu liefern und falls dies vom CNE abgelehnt wird, kann vor dem Höchsten Gericht Berufung eingelegt werden. Während ich diesen Artikel schreibe, war beim CNE keine solche Forderung eingegangen. Wahr ist, dass solche Anschuldigungen substanzlos bleiben angesichts der Tatsache, dass in Wahllokalen nominierte Zeugen der Opposition bereits ihre Zustimmung abgegeben und die Ergebnisse in ihren jeweiligen Wahllokalen freigegeben hatten. Aber was macht das schon – das Ziel ist nicht, die Demokratie zu stärken, sondern einen weichen Staatsstreich in der gleichen Weise anzuzetteln, wie es zum Beispiel in Serbien, Georgien, der Ukraine, Iran und Thailand geschah. Die jungen Neofaschisten, die in ihren Ländern Feuer und Tod säten, waren hauptsächlich in Serbien von der Gruppe Otpor trainiert worden und sie rechtfertigen die Techniken des Albert Einstein Instituts, das die Muster der sogenannten „Farbenrevolutionen“ entwickelte.

Kaum hatte Radonski seine Ankündigung gemacht, suchten neofaschistische Gruppen die Straßen heim. Symbole des Chavismus wurden zerstört, Mitglieder der Vereinten Sozialisten Partei Venezuelas (PSUV) wurden angegriffen und ermordet, kleine Geschäfte wurden geplündert und in Brand gesteckt. Es gab 8 Tote und 61 Verletzte, hauptsächlich infolge von Schussverletzungen. Fünf regionale Büros der PSUV gingen in Flammen hoch wie auch ein Dutzend Volkskliniken, wo kubanische Ärtzte sich um die Kranken kümmern.

Im Staat Lara, wo Gouverneur Henri Falcón auch Wahlkampfmanager für Radonski ist, tat die unter Falcóns Kontrolle stehende regionale Polizei absolut nichts, um Hass und Zerstörung zu verhindern. Nachts rief mich eine Großmutter aus Barquisimeto, die Provinzhauptstadt von Lara, an: „Ich habe mich mit meiner Schwester im Haus verbarrikadiert und einige Leute versuchen, die Tür einzuschlagen.“ Im Licht der kleinen Straßenlaterne sah sie, wie ihre eigenen Nachbarn mit Fackeln in der Hand die Volksklinik direkt vor ihrem Haus niederbrannten. Andere Kameraden waren ebenfalls Zeugen ähnlicher Zwischenfälle, die sie und ihre Familien durchlebten. Es sind nicht diese Leute, die Schlagzeilen in den Zeitungen machen, doch es gibt viele, die von diesen neofaschistischen Horden bedroht wurden.

Der Präsident der Bolivarianischen Republik Venezuela, Nicolás Maduro, rief seine Unterstützer dazu auf, ruhig zu bleiben, sich nicht in die Gewalt hineinziehen zu lassen und die Polizei und Nationalgarde die Ordnung wiederherstellen zu lassen. Er sagte zu Radonski: „Wenn Sie mich nicht als Präsident anerkennen, dann werde ich Sie nicht als Gouverneur der Provinz Miranda anerkennen.“ Das ist das logische Ultimatum, denn die Regeln, nach denen Radonski im vergangenen Dezember gewählte wurde, sind genau dieselben, nach denen Maduro zum Präsidenten gewählt worden ist.

Die Räder drehen sich weiter und sie scheinen sich nicht zugunsten des besiegten Ex-Kandidaten der Rechten zu drehen. Die meisten Staatsführer auf der Welt haben Maduro als neuen Präsidenten von Venezuela anerkannt. Dazu gehören die rechtsgerichteten lateinamerikanischen Regimes von Kolumbien, Chile und Mexiko, die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), mehrere afrikanische Länder sowie bestimmte europäische Länder wie Spanien. Wie gewöhnlich weigern sich die USA, den legitimen demokratischen Prozess in Venezuela anzuerkennen.

Das venezolanische Militär hat Nicolás Maduro als seinen neuen Oberbefehlshaber anerkannt und damit sein Engagement für Frieden und Sicherheit neu bekräftigt. Der Generalmajor Wilmer Barrientos hat alle Venzolaner dazu aufgerufen, die Gesetze und demokratischen Regeln zu respektieren.

Auch wenn die Rechte sich dazu entschließt, durch das Entsenden von neofaschistischen, im chavistischen Rot verkleideten Gruppen auf die Straßen die Spannungen aufrechtzuerhalten, um damit die Verantwortung für die Gewalt der Regierung in die Schuhe zu schieben, scheint sich das Gespenst eines weichen Staatsstreichs aufgelöst zu haben. Nicolás Maduro wird aus dieser Feuertaufe gestärkt hervorgehen. Auf der anderen Seite sind die Botschaften von Frieden und Einheit von Radonski in tausend Stücke zerborsten. Menschen wurden ermordet, verwundet und geschlagen, weil sie es unerhörterweise wagten, den Diskurs von Radonski – der Mann, der für die aktuelle Gewalt in Venezuela verantwortlich ist – nicht anzuerkennen. Der Faschismus wurde entlarvt und zeigt nun sein wahres Gesicht.